Ausgeschlachtet und eingeschmolzen
Recycling in den 50ern und 60ern
Glas
Die Rohstoffe für Glas, nämlich Sand, Kalk und Soda waren billig.
Da die Energiepreise ebenfalls niedrig waren, ließ sich die Glasindustrie zu einer Einwegkampagne mit dem Titel "Ex und Hopp" hinreißen.
Viele bisherige Mehrwegsysteme wurden eingestellt. Der Weg der Glasverpackung mündete von nun an in die Mülltonne.
Glasproduktion
In den 50er und vereinzelt in den 60er Jahren gab es noch Milch- oder Molkereiläden, die analog den Bäckereien oder Metzge- reien ausschließlich Molkereiprodukte wie Käse,
Joghurt, Quark, Milch, Buttermilch usw. verkauften.
Viele ältere Bürger erinnern sich noch an die Milchpfandflasche mit Stannioldeckel, die in den 60er Jahren ausgedient hatte und von Milchkarton und Milchschlauch abgelöst wurden.
Es dauerte bis in die 90er Jahre, bis die Mehrwegflasche für Milch eine Renaissance erfuhr. Die Wiedereinführung der Milchpfandflasche war eine Reaktion auf die Forderung der
Konsumenten nach Abfallvermeidung.
Heute greifen 18% der Verbraucher bei Milch zur Mehrweg- flasche, 61% bevorzugen die Kartonverpackung und 7% den Schlauchbeutel. Lediglich 4% holen heute ihre Milch noch in der Kanne.
Metalle
Direkt nach dem Krieg waren große Mengen an Metallschrott wie Eisenbahnbrücken, Eisenbahnwaggons, Fabrikanlagen, Straßenbahngleise und Rüstungsgüter zu entsorgen,
die meist als Reparationsleistungen an die Alliierten weitergeleitet wurden.
Der Alteisenhändler, der mit dem Handkarren durch die Straßen zog, hatte ab den 50er Jahren ausgedient.
Nun fuhren motorisierte Sammler mit Lkws über die Dörfer.
Sinkende Metallerlöse und steigende Kosten für den Fahrzeugunterhalt sowie die Verdrängung von Blech und Gußeisen bei Haushaltswaren durch Kunststoffe machten diese Art der
Sammlung aber zunehmend unwirtschaftlich.
"Fahrender" Alteisenhändler
Altmetallsammlung, Firma Westarp, Aschaffenburg, ca. 1950
Andererseits nahm durch die steigende Motorisierung und Technisierung die Menge an Autowracks,
elektrischen Haushaltsgeräten und Landmaschinen zu. Deren Wieder- verwertung hing in erster Linie vom Marktwert der Metalle ab.
"Autofriedhöfe" stellten jetzt die erste Stufe der Altmetall- verwertung dar. Nach dem "Ausschlachten" wurden die Karossen in gepresster Form zum Hochofen oder Stahlwerk transportiert.
Viele Wracks landeten jedoch in der Landschaft oder auf Müllkippen.
Sortenreine Metallabfälle, die bei der Produktion anfielen, wurden nach wie vor gesammelt und über Metallhändler vermarktet.
Der klassische Schrottplatz
Schrottverwertung mit Schrottpresse
"Alternative" Altauto-Entsorgung in den 60er Jahren
Textilien und Leder
Mitte der 60er Jahre begannen caritative Organisationen mit der Sammlung von Altkleidern. Hauptzweck war das Aussortieren noch tragfähiger Kleidung.
Lumpen und Altkleider fanden immer weniger Verwendung bei der Herstellung von Reißwolle für Filze, Putzwolle und Lappen.
Zur Herstellung von Spezialpapieren wie Geldscheinen wurden weiterhin Lumpenfasern (Hadern) eingesetzt, da diese lang und stabil sind.
Selbst Leder wurde zunehmend verwertet. Nach der Zerfaserung und Durchmischung mit einem Bindemittel läßt es sich zu einem lederartigen Material auswalzen,
das vor allem bei der Innenausstattung von Schuhen, z.B. den Brandsohlen, eingesetzt wurde oder auch heute noch eingesetzt wird.
Alttextilhandel, Firma SKP, Hamburg
Einsatz von Altmaterialien bei der Schuhherstellung
Mit der weltweiten Intensivierung der Baumwollanpflanzungen und der aufstrebenden Chemiefaserproduktion kam die Aufbereitung von Altkleidern zu neuen spinnbaren
Fäden sehr schnell fast zum Erliegen.
Ein spezieller Bereich blieb aber die Verarbeitung von Stoffresten aus der Bekleidungsindustrie.
Die Aschaffenburger Firma Westarp, die seit 1947 Stoffreste sortiert, trennte zum Bespiel bis in die 80er Jahre monatlich noch zwischen 50 und 100 Tonnen verschiedenster
Stoffe wie Kammgarn, Velour, Sheviotte, Tweed, Futterstoffe, Baumwolle und andere in Stoffarten und Farben, die zerrissen, wieder versponnen und zu neuen Stoffen verwoben werden.
Heute wird hier nur noch die Hälfte der Menge verarbeitet, da die Bekleidungsindustrie mehr und mehr in Billiglohnländer verlagert wurde und somit weniger Zuschnittreste anfallen.
Kompost aus Müll
Weinbauern organisierten die Einsammlung und Kompostierung von Hausmüll, um die im Krieg vernachlässigten Böden mit Humus und Nährstoffen zu versorgen.
Daß Asche und Störstoffe wie Glas und Metalle im Kompost auftauchten, störte zunächst nicht.
Die erste kommunale Großkompostierungsanlage für die Entsorgung des Hausmülls von 60.000 Menschen entstand 1954 in Baden-Baden.
Papier
Die Wirtschaftswunderzeit war geprägt durch immer aufwendigere Verpackungen, meist aus Papier und Pappe.
Die Papierherstellung machte technologische Fortschritte und verbilligte das Produkt Papier.
Der Papierverbrauch verdoppelte sich seit den 40er Jahren. Während in den ersten Nachkriegsjahren bis zu 40 % Altpapier bei der Herstellung von neuem Papier verwendet wurde,
sank die Verwertungsquote in den 50er Jahren ins Bedeutungslose.
Ausschließlich sehr gute Altpapiersorten wurden von Altstoffhändlern vermarktet. Die Aschaffen- burger Papierfabrik PWA setzte in den 60er Jahren schon wieder 25%
Altpapier bei der Papierproduktion ein.
Viele Zellstoff- und Papierfabriken in Deutschland mußten allerdings wegen massiver Luft- und Gewässerverschmutzungen geschlossen werden, da sie nicht mit Reinigungsanlagen
nachgerüstet wurden oder werden konnten.
Altpapiersammlung, Firma SKP, Hamburg
Papierproduktion, Firma PWA, Aschaffenburg
Altpapierauflöser für Altpapier und Kartonagen, Firma PWA, Aschaffenburg