Abfallentsorgung auf dem Land
Misthaufen und Winkel
Über Abfälle und ihre Beseitigung auf dem Land gibt es kaum schriftliche Zeugnisse.
Fast alle Abfälle wurden auf dem Misthaufen entsorgt. Verendete Kleintiere, Schlachtabfälle, Knochen, organische Reste, Tonscherben und auch menschliche Notdurft wurden
auf diese Weise beseitigt. Scherbenschleier und Knochen- reste auf den Feldern weisen noch heute darauf hin.
Neben der Miste dienten manchmal auch die engen Zwischen- räume zweier Häuser - sogenannte Ehgräben oder Winkel - zur Abfallentsorgung. Noch im 20. Jahrhundert wurden
die Abfälle aus dem Küchenfenster geworfen, was bei Sanierungs- und Abrißmaßnahmen alter Gebäude immer wieder belegt werden kann.
Aborterker, Sondheim, Landkreis Rhön-Grabfeld
Abwässer
Flüssige Abfälle wurden bis in jüngster Zeit auf dem Misthaufen, auf der Straße und direkt in Flüsse und Bäche entsorgt.
Eine Kanalisation wurde auf dem Land erst nach dem 2. Weltkrieg eingeführt. Kläranlagen fehlen vereinzelt sogar noch heute.
Bei Burgen und Schlössern diente der Burggraben bzw. Bergflanken unterhalb der Burg als willkommene Abfallhalde. Hier wurde aller Unrat über Jahrhunderte entsorgt.
Ausguß-Stein mit Auslauf nach außen im Sackhaus in Schöllkrippen, Landkreis Aschaffenburg
Ausguß-Stein in der Küche der Ronneburg bei Büdingen, Main-Kinzig-Kreis
Auslauf von außen im Sackhaus in Schöllkrippen, Landkreis Aschaffenburg
Straßenreinigung
Die in der Regel unbefestigten Straßen wurden durch Abwässer und Haustierkot verschmutzt. Eine gezielte Straßenreinigung war schwierig, da die Befestigung
von Straßen oft erst im 20. Jahrhundert vorgenommen und Seitenstraßen meist erst in der Nachkriegszeit einen festen Belag erhielten.
Während die Städte schon über Jahrhunderte hinweg versuchten, eine effiziente Straßenreinigung und Müllabfuhr aufzubauen und zu betreiben, geschah dies auf dem Land erst nach dem 2. Weltkrieg.
Man begann erst in den 50er Jahren mit der Einführung einer geordneten und "staubfreien" Müllabfuhr in größeren Ortschaften.
Straßenreinigung in einem Dorf im Landkreis Haßberge um 1930
Neuordnung der Abfallentsorgung
Vor 1972 gab es in Bayern nur wenige zentrale Deponien. Viele Dörfer hatten eine Hohle, einen Steinbruch oder einen anderen Platz, an dem die Abfälle anfangs von den Bürgern selbst und später durch einen Abfuhrunternehmer gebracht wurden.
Solche Müllhalden lassen sich vielerorts noch belegen, auch wenn mittlerweile "Gras darüber gewachsen ist". Nicht selten müssen solche Plätze heute saniert werden, da von ihnen eine Umweltgefährdung ausgehen kann.
Die einschneidendste Veränderung kam mit dem ersten bundesdeutschen Abfallgesetz 1972.
Daraufhin wurden die gemeindlichen Deponien Zug um Zug stillgelegt und nach damaligen Vorstellungen rekultiviert. Ab 1. Juni 1977 waren in Bayern die Landkreise für die Entsorgung der Abfälle durch Verbrennungsanlagen oder Großdeponien zuständig, wenn sie dies nicht schon früher freiwillig übernommen hatten.
Abfallwirtschaftliche Unterschiede zwischen Stadt und Land wurden ab dieser Zeit rasch ausgeglichen.